Bund-Länder-Beschluss zum ÖPNV unzureichend

ÖPNV Verkehr Nahverkehr öffentlich Personen

Bund und Länder haben sich am 2. November 2022 auf die Finanzierung des bundesweiten Nahverkehrstickets sowie auf eine Anhebung der Regionalisierungsmittel geeinigt. Die Beschlüsse sind aus Sicht des DStGB jedoch unzureichend. Sie führen dazu, dass der ÖPNV in den kommenden Jahren nicht ausreichend ausgebaut werden kann. Die durch das bundesweite Ticket entstehenden Verluste könnten zudem nicht auskömmlich ausgeglichen werden. Während Fahrgäste in Orten mit gutem Angebot das Ticket nutzen werden und die Zahl der Fahrgäste dort steigen wird, geht der ländliche Raum womöglich leer aus.

Bund-Länder-Beschluss zum 49-Euro-Ticket

Nach dem Beschluss der Besprechung des Bundeskanzlers mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 02.11.2022 soll ein „digitales, deutschlandweit gültiges „Deutschlandticket“ für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu einem Einführungspreis von 49 Euro pro Monat im monatlich kündbaren Abonnement“ eingeführt werden. Weiterhin sollen die Regelungen zum Deutschlandticket ergänzende länderspezifische Vergünstigungen ohne finanzielle Nachteile ermöglichen, sofern Differenzbeträge durch die jeweiligen Länder finanziert werden.

Der Bund sagt zu, dafür ab 2023 jährlich 1,5 Mrd. Euro zum Verlustausgleich zur Verfügung zu stellen. Die Länder beteiligen sich in gleicher Höhe. Sollte das Ticket später als zum 01.01.2023 eingeführt werden, reduziert sich der Verlustausgleich für 2023 anteilig.

Bund-Länder-Beschluss zur weiteren Erhöhung der Regionalisierungsmittel

Darüber hinaus stellt der Bund schon ab dem Jahr 2022 zusätzliche Regionalisierungsmittel in Höhe von einer Milliarde Euro jährlich zur Verfügung. Die Regionalisierungsmittel werden jährlich ab 2022 um drei Prozent erhöht (bisher 1,8 Prozent) und damit um 1,2 Prozentpunkte auf die jeweiligen Ländersteigerungssätze. Der erste Erhöhungsschritt findet schon in diesem Jahr für 2023 statt. Aus Sicht des Bundes sollten die Länder ihre jährlichen Beiträge in entsprechender Höhe steigern.

Zukunft der ÖPNV-Finanzierung wird vertagt

Der Bundeskanzler und die Regierungschefs der Länder bitten die Verkehrsminister von Bund und Ländern, ihre Beratungen zum Ausbau- und Modernisierungspakt im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zeitnah abzuschließen. Über die darüber hinausgehende weitere Entwicklung der Regionalisierungsmittel und des Deutschlandtickets für die Zeit ab 2025 werden Bund und Länder Ende 2024 sprechen.

Anmerkung:

Bund und Länder gehen bei der ÖPNV-Finanzierung nur einen kleinen Schritt in die notwendige Richtung. Das Ticket wird dort, wo das ÖPNV-Angebot gut ist für viele Menschen Entlastung bringen und neue Fahrgäste für Bus und Bahn gewinnen können.

Für die Umsetzung des Deutschlandtickets fehlt aber die zwingend notwendige Regelung, dass wirklich alle mit dem Ticket verbundenen Einnahmeverluste bei den Verkehrsunternehmen ausgeglichen werden. Eine Deckelung des Ausgleichsbetrags und gleichzeitig die Festlegung eines Wunschpreises von 49 Euro für das Ticket bergen die Gefahr, dass durch das Ticket entstehende weitere Verluste bei den Verkehrsunternehmen durch kommunale Aufgabenträger auszugleichen wären oder letztlich durch Kürzungen der Angebote aufgefangen werden müssten.

Enttäuschend ist zudem, dass man sich nicht auf einen klaren Ausbaupfad für den ÖPNV geeinigt hat. Durch bessere Takte bei Bus und Bahn und flexible Bedienformen auf dem Land könnte das Ticket deutlich mehr Menschen erreichen und entlasten.

Die zusätzliche Milliarde für den ÖPNV-Betrieb ab 2022 und eine höhere Dynamisierung der Regionalisierungsmittel wird dringend gebraucht. Die Ankündigungen decken aber höchstens einen Bruchteil der gestiegenen Kosten ab. Durch allgemeine Preissteigerungen, Personalkosten und insbesondere die massiv gestiegenen Energiekosten ist die Branche wie viele andere Bereiche extrem unter Druck. An einen flächendeckenden ÖPNV-Ausbau ist mit diesen Rahmenbedingungen nicht zu denken. Es ist insofern fraglich, warum zu diesem Zeitpunkt der Ausbau- und Modernisierungspakt für den ÖPNV geschlossen werden soll. Hierfür reichen die Mittel schlicht nicht aus.

Insbesondere der ländliche Raum geht mit diesem Kompromiss leer aus, da dort erheblicher Verbesserungsbedarf im ÖPNV besteht. Dort verkehren vielerorts eigenwirtschaftliche ÖPNV-Verkehre privater Verkehrsunternehmen. Sind die Verlustausgleiche für das Ticket nicht auskömmlich und fehlen Kompensationen für die Energiepreissteigerungen, stehen hier zeitnah Abbestellungen an.

Für eine Einführung des Tickets muss zwingend eine Nachsschussregelung kommen. Zudem bedarf es weiterer Klärungen, beispielsweise wie der Tarif genehmigt werden soll.

Die von Bund und Ländern angekündigte monatliche Kündbarkeit des Tickets führt letztlich zu Mitnahmeeffekten, beispielsweise in der Ferienzeit, wenn das Ticket für eine einzelne Reise günstiger wird, als der Kauf von Einzelfahrscheinen auf längeren Relationen. Ziel muss aber sein, Dauerkunden für das System ÖPNV zu gewinnen.

28.11.2022